Tagung in der evangelischen Akademie Bad Boll - Wirkungsvolle Kommunikation in der Rechtsfplege
Vortrag von Prof. Dr. Malte Graßhof: 75 Jahre Grundgesetz - Wo steht der Rechtspfleger?
Die jährliche Tagung stand diesmal ganz im Zeichen der Kommunikation. Eröffnet wurde Sie, nach der Begrüßung durch den stellvertretenden Bundesvorsitzenden Björn Benkhoff von Prof. Dr. Malte Graßhof, dem Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes Baden-Württemberg, mit seinen Gedanken zu "75 Jahre Grundgesetz: Wo steht der Rechtspfleger"
Zunächst erklärte Prof. Graßhof kurz die Aufgaben des Verfassungsgerichtshofes Baden-Württemberg, dem kleinen Bruder des Bundesverfassungsgerichtes, bevor er seine Überlegungen zum Grundgesetz an der Frage: "75 Jahre Grundgesetz - ist das der Triumph einer bescheidenen Verfassung?" ausrichtete.
Er wieß auf die Wertschätzung hin, welches das Grundgesetz in der Bevölkerung, aber auch international genießt. Hat es doch das Kunststück vollbracht sogar sein eigenes Ablaufdatum, die Wiedervereinigung, zu überdauern, da die überwiegene Mehrheit der DDR-Bürger keine neue Verfassung wolte, sondern unter dem Grundgesetz leben wollte. Allen Kriesen zum Trotz haben sich seine Regelungen zur Stabilität des Bundestages und die restriktiven Bedingungden die Auflösung des Bundestages nur unter engen Voraussetzungen zuzulassen bewährt.
Prof. Graßhoff stellte weiter fest, dass das Grundgesetz nicht den Staat, sondern die Menschen in den Vordergrund stellt. "Es ist eine Verfassung, die ger nicht triumphal daherkommt, sondern nüchtern und sachlich. Der Stolz galt nicht dem Staat oder der nation, sondern einem recht kurzen Text, dem seinerzeits kein Zeichen des Stolzes anzumerken ist. (...) Aber es drängt sich auf das Grundgesetz als eine "bescheidene" Verfassung anzusehen."
Anschließend erörterte Professor Graßhof die Frage: Gehören die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger ins Grundgesetz?
"Meine Ausgangsfrage nach dem Triumph der bescheidenen Verfassung lässt sich ja ohne weiteres auf die Rechtspfleger übertragen: Rechtspfleger - Triumph einer bescheidenen Laufbahn?
Auch hier bejahe ich das Vorliegen eines Triumphs uneingeschränkt. Die Rechtspflegerin und Rechtspfleger sind aus der bundesdeutschen Justiz, der Justiz des Grundgesetzes nicht mehr wegzudenken. Sie haben wesentlichen Anteil daran, dass unser Justizsystem als beneidenswert effektiv und effizient gilt. Unsere Wirtschaft mag schwächeln, unsere Brücken bröckeln, unsere Regierung zusammenbrechen – die Justiz ist stabil, vertrauenswürdig und das sage ich ganz unbescheiden, auch gerecht.
Wenige Bürgerinnen und Bürger, die in Berührung mit Gerichten kommen, wissen was die Aufgaben der Rechtspfleger sind. Viele können sich unter der Bezeichnung nicht viel vorstellen. Seit Jahren gibt es auch Überlegungen, eine neue Berufsbezeichnung zu suchen, die attraktiv und eingängig klingt. Stattdessen könnte aber auch die an sich doch wunderschöne Bezeichnung Rechtspfleger offensiv genutzt und verbreitet werden.
Ganz wichtig, scheint mir außerdem zu sein, eine Aufstiegsmöglichkeit in den höheren Dienst vorzusehen, die nicht nur auf ganz wenige Ausnahmefälle beschränkt ist und die gerade auch an die eigentliche juristische Qualifikationen der Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger anknüpft. Warum sollen nicht fachlich bewährte Rechtspfleger, nach einer entsprechenden Weiterqualifizierung, die aber praktisch handhabbar sein muss, auch als Richterin und Richter tätig sein in bestimmten Sachgebieten und Instanzen?
Derzeit sucht die Justiz auch für den höheren Dienst händeringend Nachwuchs. Das riesige Potential unserer hervorragend ausgebildeten Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger liegt brach. Auch wenn etwa das Asylrecht im Laufe der Zeit immer komplexer geworden ist, halte ich etwa eine berufs- und lebenserfahrene klar denkende 50-jährige Rechtspflegerin für mindestens ebenso gut geeignet, über eine Asylklage zu entscheiden wie eine 24 jährige Proberichterin frisch vom Referendariat.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich schätze unsere jungen Proberichterinnen und Richter außerordentlich, aber das gilt eben genauso für die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger.
Schließlich - das die Justizangehörigen ein Gehaltsniveau verdienen, indem die Bedeutung der dritten Gewalt zum Ausdruck kommt, das vom Eingangsamt bis zur Pensionierung attraktiv und wettbewerbsfähig ist, sollte sich eigentlich von selbst verstehen. Dass stattdessen die Besoldung und Versorgung der gesamten Beamten und Richterschaft regelmäßig zu Haushaltskonsolidierung. Das braucht wird ist ein konstantes Ärgernis."